Was bedeutet integrative Medizin für Liebscher-Bracht?
"Dass man es als Segen betrachten sollte, wie weit sich die moderne Medizin entwickelt hat. In der Akutversorgung haben wir heute Möglichkeiten, von denen wirvor ein paar Jahrzehnten nur geträumt haben", sagt sie, die Ärztin. Und Roland Liebscher-Bracht, der die LNB-Schmerztherapie in ihrer Systematikentwickelte, fügt hinzu: "Integrative Medizin bedeutet auf keinen Fall, dass man keine Antibiotika nimmt, wenn man zum Beispiel eine Lungenentzündung hat, oder keine Schmerzmittel, wenn man wirklichganz schnell akute Linderung haben muss und kein Therapeut zur Stelle ist, der einem die Schmerzen nehmen kann."
Jetzt kommt das ABER…
"Aber dann", sagt Dr. Petra Bracht, "wenn die akuten Möglichkeiten zum Beispiel bei einem gebrochenen Beingenutzt sind, dann sollte auch die Biomedizin zum Zuge gekommen." Und Bio bedeutet in diesem Zusammenhang nicht (nur), Bio zu essen, sondern vorallem auch, das neue Verständnis für biologische Zusammenhänge in Bezug auf die Bewegung und Beweglichkeit in die neue Medizin miteinzubauen.
"Bis vor einigen Jahren", so Dr. Bracht, "wurde in der Medizin nicht wirklich wahrgenommen oder warsogar noch nicht einmal bekannt, dass in den FaszienZellen existieren, welche sich verkürzen können. Diese Zellen ziehen sich zusammen, wenn die Flüssigkeit, die alle Faszien und Zellen umgibt, übersäuert."
WIE ZU HEISS GEWASCHEN…
Was das Verständnis des Zusammenspiels angeht, gibt es noch einiges zu lernen. Stellen Sie sich einenWollpullover vor, den Sie zu heiß gewaschen haben. So in etwa sieht die Faszienstruktur im unteren Rückenbereich bei vielen Menschenaus,die viel sitzen und sich wenig bewegen. Das langgezogene, salmiartige Viereck, das sich von der Poritze bis zum Beginn der unteren Rippen zieht, und das ursprünglich als flexibleScherengitter-Struktur von der Natur konzipiert war, verwandelt sich dort in brettiges unnachgiebiges Gewebe.
"Das dreidimensionale Netz, das unsere Muskeln durchzieht und umhüllt, ist kein statisches Gebilde", erklärt Dr. Bracht. "Es wird permanent umgebaut." Das istdie gute und die schlechte Nachricht zugleich. "Denn der Umbauplan richtet sich nach den Bewegungen unseres Körpers, die wir im Alltag, Beruf, Sport und Hobby durchführen." Wie wir stehen, istwichtig. Oder wie wir sitzen. Ist der Rücken rund, fallen die Schultern nach vorn, verkürzen sich die Strukturen der Bauchmuskeln. Was dazu führt, dass sich die Rückenmuskeln mitsamt ihren Faszienanzupassen beginnen, sich ebenfalls verkürzen und nun mit diesem neuen "Korsett" auf die Gelenke drücken. Nutzen wir unsere Bewegungsmöglichkeiten, die genetisch durch Gelenk- undBandkonstruktionen vorgegeben sind, nicht oder nur unvollständig, bauen spezielle 'Spinnen-Zellen' Fasziennetze, die kürzer werden als eigentlich notwendig."
Damit wird Schmerzen Tür und Tor geöffnet.
Durch die Verkürzung erhöht sich die Druckbelastung auf Wirbelsäule und Gelenke kontinuierlich und massiv. Sie werden quasi in eine unnatürliche Form gezerrtund beginnen nun, Alarm ans Gehirn zu funken: "Hilfe, das tut weh!"
Umweltfaktoren wieErnährung,Stress,psychische Traumataoder Umweltbelastungen wie Elektrosmog sorgen für zusätzliche und zunehmende Übersäuerung, sodasssich die die kontraktilen Zellen in den Faszien weiter zusammenziehen und dadurch zusätzlich die Belastung der Knorpel in Gelenken und Wirbelsäule verstärken. Die Antwort des Körpers: eine sichpermanent steigernde Unbeweglichkeit, zunehmende Schmerzen, Arthrose z. B. in Hüften, Knien oder kleinen Wirbelgelenken als Antwort auf den Druck; Bandscheibenschäden, Nervenreizungen, Lymphstausowie einschlafende Hände und Füße.
Und das lässt sich auf Dauer nur lösen, wenn der Patient oder die Patienten 1. die Spannungsmuster in Kopf und Körper löst und 2. von sich aus dasdehnendeBewegungsprogramm regelmäßig durchführt.
Wenn das Gehirn AlarmSchmerz sendet, ist die STOP-Taste angesagt.Hinschauen, Hinfühlen, einen anderen Weg zu erwägen.
Sind Patienten ohne Weiteres bereit, ihr Leben radikal zu ändern?
"Nein", schüttelt Dr. Petra Bracht den Kopf, "natürlich nicht. Deshalb machen wir einen Deal: nur für 4 Wochen zum Beispieleinfach mal vegan probieren. Wir entwickeln gemeinsam ein Programm für einen überschaubarer Zeitraum, der aber lang genug ist, um den Effekt zumerken." Sie schüttelt den Kopf. "Man kann eine wirkliche Veränderung nicht dadurch erreichen, indem man weiter das Gleiche tut, was einen zunächst in diese Situation gebracht hat."
Da ist sie mit Albert Einstein ganz einer Meinung.
Wer jemals eine solche Veränderung versucht hat, z. B. auch nur ein Lebensmittel wegzulassen, dass man nicht verträgt, derweiß, wie viel Energie man duch den Verzicht gewinnt. Er oder sie weiß jedoch auch, wie schnell sich schädigende Verhaltensweisen wieder verselbstständigen können.
ES GIBT VIEL ZU TUN
"Wir haben eine riesige Aufklärungsarbeit vor uns", sagt Petra Bracht, "und mitunserem aktuellen Gesundheitssystem, mit Kassenzulassungen, mit Fallpauschalen, die nur einen kleinen, individuellen Behandlungsspielraum für Patienten zulassen, ist das nicht zu machen." MitPatienten zu sprechen und sie anzuhören, bis man die Dynamik ihrer Krankheit versteht, wird von gesetzlichen Kassen miserabel bezahlt. So gering, dass es sich nicht mal lohnt, ein Gespräch überhauptanzufangen. Die Reglementierung führt dazu, dass der Durschnittspatient in seiner Schilderung nach 8 Sekunden zum ersten Mal von seinem Arzt unterbrochen wird.
"Ich hab meine Kassenzulassung schon lange zurückgegeben", so die Ärztin. "Das istnicht die Art von Medizin, die ich machen möchte."
In Radiosendungen, auf ihrer Homepage, in Blogs in regionalen Tageszeitungen sowiebei Informationsveranstaltungen vermittelt sie ihr Verständnis von Krankheit und Heilung. Fast jedes zweite Wochenende im Jahr werden neue LNB-Therapeuten geschultvon dem Expertenpaar geschult,sowohl in der Schmerztherapie nachLiebscher-Bracht als auch in der Bewegungslehre. Ein Mammutprogramm.
"Aber es funktioniert nur Mensch für Mensch."
Sie denkt an Bircher-Benner – ja, genau der mit dem Bircher-Müsli –, der vom "Werden des neuen Arztes" sprach, der den "inneren Arzt" im Patienten als Partner im Heilungsprozess begriff. "Wir müssenuns wieder mit altem Wissen verbinden, zum Beispiel mit den Ordnungsgesetzen der Nahrung", sagt Petra Bracht. "Wenn man sich die Genforschung anschaut, wo der Mensch nur noch aus Genen besteht, oderdie Polypille, die gegen alles helfen soll... das geht alles komplett in die falsche Richtung!" Sie lacht. "Die Pille – LNB –, die wir anbieten, kostet nichts und hat auch keine Nebenwirkungen...außer, dass man in Aktion kommen muss. "
LNB SCHMERZTHERAPIE NACH LIEBSCHER-BRACHT
INTERVIEW ROLAND LIEBSCHER-BRACHT
INTERVIEW DR. MED. PETRA BRACHT
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